…..aber nicht petzen!

…einer ist es immer gewesen…aber nicht verraten, wer!

Wir kennen das ja alle aus der Kindheit: irgendeine Dummheit passiert, es gibt keinen oder geringen Schaden und im Nachhinein betrachtet, ist das, was passiert ist, kein Unglück, sondern in den meisten Fällen eher ein Ungeschick. Und alle Beteiligten halten natürlich die Schnauze – bis irgendwann und irgendwo dann doch irgendwer ‚petzt‘ und dem gnadenvollen Vergessen keine Chance mehr lässt! Der hatte es dann in den folgenden Wochen doch etwas schwerer, aber meistens gab es dann auch für ihn eine ‚Begnadigung‘. 

Und wenn man 20 Jahre später diese Geschichten an Kaffee- oder Biertisch erzählt, bekommen alle strahlende bis feuchte Augen ob dieser wunderbaren Kinderzeit und den vielen kleinen ‚Banden-Geheimnissen‘.

Ja, diese Erinnerungen sitzen tief – und auch heute noch mag niemand den ‚Petzer‘! So muss es wohl auch bei unseren Northeimer Kommunalpolitikern aussehen – und die haben glasklar erkannt, dass der Petzer heute ‚Internet‘, Vorname ‚Live-Stream‘, heißt. Und ihm folgerichtig die rote Karte gezeigt! Bravo, Kinder!

Nur eins scheint ihnen entgangen zu sein: es geht heute nicht mehr ums ‚Äppelklauen‘ oder heimliches Rauchen. Selbst in unserer kleinen Stadt am Rande der wirklichen Welt geht es jedes Jahr um satte 30 Millionen Euro, die nach den Weisungen des Stadtrats sinnvoll ausgegeben oder maßlos verpulvert werden. Das ist, liebe Ab- und Beigeordnete, keine Rolle Drops, sondern echtes Geld, auf das Leute in der echten Welt Jagd machen!

Wenn dann ein Argument kommt: „Wir machen das doch alles für umsonst in unserer Freizeit!“, ja, dann wird es ehrlicherweise nur noch peinlicher: Niemand wird gezwungen, das zu machen – und ob ich das Geld in der Freizeit oder in der Verbeamtung verschleudere, spielt für den Steuerzahler keine Rolle: die Geldgeber erwarten mit allem Recht eine verantwortungsvolle und ernste Treuhänderschaft – und diese muss so öffentlich sein, wie es möglich ist, damit auch alle, die nicht Donnerstags um 17 Uhr ein paar Stunden Zeit vernichten können, das Ganze mitverfolgen können, um sich ihre Meinung über die Themen und die Arbeit bzw. den Auftritt ihrer Volksvertreter zu bilden.

Und ein Treuhänder kann nur mit offenen Karten spielen – und muss offen darlegen, warum er/sie im Sinne seiner/ihrer Wahl-Schäfchen eine Entscheidung getroffen hat. Wer lieber schweigt und das Mikrofon meidet, muss sich dann doch ernsthaft fragen lassen, ob er als Repräsentant des ‚Volkes‘ wirklich am richtigen Platz ist. Aber da heute schon die Northeimer Ratsversammlung zu 80% aus Schweigern besteht, ist zumindest für diese ‚stille Mehrheit‘ doch ein Live-Streaming per se nichts, was sie berührt.

Ach ja: da kommt dann auch das Argument daher, dass manche StadträtInnen die Kamera zu ’Show‘-Darstellungen anreizen würden? Keine Angst, das tut auch schon das Mikrofon. Und was soll schlecht daran sein, dass eine Meinung effektvoll und gut inszeniert an die potentiellen Wähler herangetragen wird? Wenn ich meine, für das ‚Richtige‘ zu streiten, dann setze ich alles daran, dies auch ‚rüberzubringen‘ – dröge irgendwas über irgendwelche Verwaltungsvorschriften in das Mikro zu nuscheln – das können wir uns schenken bzw. das wäre die Aufgabe eines kompetenten Rechtsamtsleiters.

Was haben wir vergessen? Den Missbrauch natürlich! Was könnte die Welt mit den Live-Stream-Aufnahmen denn alles machen? Zurechtschneiden, Fälschen, Verfremden, böse GIF’s daraus machen. Aber liebe Leute, was glaubt ihr denn, wie wichtig das ist, was hier in der Ratsversammlung passiert? Außerdem kann alles durch den Original-Stream sofort belegt und zurechtgestellt werden. Das Potential dieses Missbrauchs ist genauso hoch wie die Gefahr bei Wahlplakaten mit Köpfen, dass Ihnen Bärte angemalt werden. Man sollte auch dazu bedenken, dass, wenn man am Straßenverkehr teilnimmt, man sowohl selbst jemanden verletzen oder töten kann als auch, dass das einem selbst widerfährt. Und wer verzichtet dann darauf? So ist es halt auch mit dem Informationsverkehr… – den nicht alle Ratsmitglieder wirklich beherrschen: Gold wert war die Anmerkung, dass es ja seit neuestem ‚diese GIFs‘ gäbe, mit denen man solche Kurzanimationen machen könne aus Schnipseln von realen Bildern. Guten Morgen auch, dieses Format gibt es seit 1987 und es war schon zu Beginn des Jahrtausends im langsamen ISDN-Internet ein ‚Burner‘ oder ‚Hype‘.

Zu guter Letzt noch ein Wort zu zwei guten Seelen, die das gute alte Zwiegespräch mit dem Wähler doch immer bevorzugen und das viel besser finden als diese ganzen neumodischen Kommunikationskanäle. Liebe Frau P. und lieber Herr H.: wie soll das gehen? Und wie soll sich das, was besprochen wurde, denn weiterverbreiten? Mit stiller Post? Die Ergebnisse kennen wir schon von Kindergeburtstagen!

Aber wir können auch rechnen: Bis Anfang September hatten ca. 300 Personen die Online-Petition zum Erhalt des Mühlenangers unterschrieben – nur die Spitze des Eisbergs: wenn Sie nur 10 Minuten pro Gespräch, in dem Sie ihre nicht-repräsentative Meinung hätten erläutern wollen, ansetzen, wären Sie damit 3000 Minuten = 50 Stunden beschäftigt… Das, was da als individuelles, dialogisches und mitmenschliches Kommunikationsangebot angepreist wird, ist doch nichts anderes als ideologisches Gesabbel.

Das schreckt ja unsere ‚stillen Stars‘, die Mehrheit der Northeimer Ratsvertreter (nicht alle!), dass auf einmal alle, die zuschauen und sich interessieren, Stellung nehmen können und etwas dazu sagen (auch wenn 10% davon besser geschwiegen hätten – aber das muss man als Demokrat wegstecken können). Und das tut Not, wie wir am Mühlenanger-Thema gesehen haben, wo die Anschauungen in Rat und Wahlvolk einfach diametral entgegengesetzt sind.

Und wir können jetzt auch gut verstehen, warum alle Ratsmitglieder so gern in den Verwaltungsausschuss des Rates kommen wollen: da gibt es nämlich keine Petzer, sondern nur die Koalition der Schweiger: die Tagesordnung ist geheim, die Abstimmung ist geheim, ein Protokoll gibt es nicht, die Ergebnisse werden ‚verkündet‘ – oder auch nicht.

Ein weiteres Beispiel? Mir fällt auf jeden Fall eines ein: Der Verwaltungsauschuss beschließt, das Obdachlosenheim am Eschenschlag zu bauen. Nur wenige Tage später bei der öffentlichen Sitzung des Bau-Auschusses ist wiederum die Öffentlichkeit zugelassen, die mit Protest über die Platzwahl nicht zurückhält. Sie erinnern sich? Das war’s dann gewesen, auch dieser Beschluss ging den Bach hinunter…     

Maß für Maß

Die Mauer des Schreckens -oben mit pergola-ähnlichen Betonstreben versehen, die später beefeut sein sollten…

Nicht alles, was in Rechtsfragen festgelegt ist, gefällt allen. Aber ein Maßstab muss sein, eine Richtschnur, nach der wir unser Handeln ausrichten – das ist von allen akzeptiert: Wenn es heißt ‚Tempo 50 in der Stadt‘, dann befolgen eigentlich alle dieses Gebot, auch wenn es dabei ‚Auslegungstoleranzen‘ gibt – irgendwas zwischen 30 und 55. Für alles darüber hinaus gibt es dann seit neuestem ALICE…

Nun gibt es andere Vorschriften, die weiter auszulegen sind, wo es mehr Unschärfen und Randfälle gibt, aber im Wesentlichen sollte ein Rechtsgrundsatz immer gleichartig ausgelegt und manchmal auch ‚ausgedehnt‘ werden. Wie weit das gehen kann, darüber kann und soll diskutiert und gestritten werden.

Sicher kann eine Entscheidung mal so oder so ausfallen, aber wenn es nach ‚Hüh‘ und ‚Hott‘ aussieht, kommen manchmal doch Bedenken ob des Entscheidungsträgers. Diese könnte man haben angesichts zweier Entscheidungen im Northeimer Rat bzw. Bau-Ausschuss, die eine Garagenzufahrt und eine Restaurant-Öffnungszeit betreffen. Aber urteilen Sie selbst!

Das gäbe es – nein: gibt es, und das trotz anderslautender Genehmigung – eine Garagenzufahrt, die außerhalb der rückwärtigen Baugrenze liegt und mit einer Mauer auf der Grundstücksgrenze abgeschlossen ist. Dies ist nicht zulässig, stört aber niemanden, da auf der anderen Seite der rückwärtigen Grenze die hintere Ecke eines größeren Spielplatzes zu finden ist. Rein optisch hätte ich an dieser Stelle überhaupt keine Bauchschmerzen.

Der Besitzer des Hauses möchte diesen Mangel nun mit einer Änderung des Bebauungsplans heilen. Resultat: der Antrag wird abgeschmettert, vor allem deshalb, weil dadurch eine Verletzung der Bauvorschriften im Nachhinein sanktioniert wird. Das kann man so entscheiden, es ist nachvollziehbar und es soll Nachahmer abschrecken. So weit, so gut. Gnade und Erlösung gibt es in der Kirche, aber nicht zwangsläufig in der Stadtverwaltung und im Rat.

Die Terrasse der Nicht-Kantine; morgens um 9:20 gab’s aber noch keinen Kaffee; ist ja schließlich keine Kantine…

Mehr Erfolg hat man da, wenn man ein italienisches Restaurant betreiben möchte, wo nur eine italienische Kantine zulässig ist, da alle innenstadtrelevanten Gewerbe in einem Gesundheitszentrum ordnungspolitisch unerwünscht seien. Und Kantinen öffnen bis 18:30 an Werktagen, Restaurants an allen Tagen bis 22.00 oder 23:00 Uhr…

Und wenn man das ändern möchte, dann benötigt man dazu eine Bebauungsplanänderung. Ob man sich auf einen Restaurantbetrieb eingerichtet hat in Unkenntnis des Bebauungsplans oder weil man es einfach nicht hat wissen wollen: das ist egal und es gibt kein öffentliches Interesse, das nachträglich zu sanktionieren, da man in diesem Sonderbereich ‚Gesundheit‘ per Bebauungsplan alle innenstadtrelevanten Betriebe kategorisch ausgeschlossen hat. Aber dieses Anliegen traf die weiche Seite des Entscheidungsorgans. Ich zitiere einmal aus der Abwägungsantwort auf den Einwand des Beirats für Menschen mit Behinderung:

„Die Gastronomie im Bereich des Gesundheitsforums war vom Bauherren immer vorgesehen. Eine Versorgung der Arbeitnehmer und der Kunden im Haus sollte durch eine Kantine oder eine gastronomische Einrichtung erfolgen.
Leider wurde seiner Zeit vom Vorhabenträger nicht erkannt, dass mit der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung, ein Betreiben der Gastronomie über die Öffnungszeiten des Gesundheitsforums hinaus nicht möglich ist. Dies ist aber, um einen wirtschaftlichen Betrieb der Gastronomie zu gewährleisten, notwendig.
Zur Unterstützung des Standortes und um eine Versorgung der Arbeitnehmer, Kunden und Patienten zu gewährleisten, ist die Abweichung von den Zielen des Einzelhandelskonzeptes städtebaulich hinreichend begründet.“

Der erste und dritte Absatz sind unstrittig – das ist ein Kantinenbetrieb, der nicht vom Plan abweicht. Aber der zweite Satz gibt die Entschuldigung – „..konnte nicht erkennen…“ – und die Begründung „…wirtschaftlicher Betrieb nicht zu gewährleisten…“. Wohlgemerkt: eines Restaurants – aber das steht nicht zur Diskussion! Wenn nur eine Kantine zulässig ist, muss halt der Betrieb einer Kantine geplant werden! Aber nun ist der Laden wie ein Restaurant ein-  und ausgerichtet worden: und ob dieses Fehlers in der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung wird nun der Bebauungsplan geändert…man lernt nie aus! Herz voll Gnaden, was willst Du mehr – und die kleine Ausnahme vom Einzelhandelskonzept verträgt auch ein zugedrücktes Auge.

Auch so kann man also entscheiden – weich und nachsichtig. Aber wie passt das mit der anderen Seite zusammen, die auch hart und unnachgiebig sein kann. Haben Sie eine Antwort???

PS: Eigentlich ist die Entscheidung zugleich auch ganz unnachgiebig – zumindest für die draußen vor der Tür. Der Text der Ausnahme:

Zulässig sind nun „Schank-und Speisewirtschaften mit Ausnahme von Systemgastronomie, mit einer Grundfläche des Gastraumes von maximal 200 m² als integraler Bestandteil eines Nutzungskomplexes“.

Man darf ja keine Einzelentscheidungen treffen, es muss alles allgemein sein, aber mit diesen Festlegungen hat man in mittelalterlicher Zunft-Tradition gleich schon mal die gesamte Konkurrenz ausgebootet: Platz wäre da im Plangebiet, aber man darf kein Gebäude errichten, das nur eine Gastronomie enthält, man darf nichts einrichten, was in einem bestehenden Gebäude mehr als 200 qm umfasst und es darf keine Systemgastronomie sein (McD, Burger King, Vapiano etc.). Eigentlich fehlt nur noch eine Festlegung: der Name eines Gastronomiebetriebes muss einen romanisch klingenden Namen haben und darf nicht mehr als 5 Buchstaben haben, wobei nur die Buchstaben A, E, S und T erlaubt sind.