Wann platzt den Northeimern eigentlich endlich mal der Kragen? Da wird heute bekannt, dass der Verkauf des Mühlenangers in nicht-öffentlicher Sitzung des Stadtrates beschlossen werden soll, nachdem man sich im ebenso nicht-öffentlichen Verwaltungsausschuss darauf geeinigt hätte.
Ich frage mich: ist das wirklich im Sinn der Northeimer Bevölkerung und eines attraktiven Veranstaltungsangebots? Klar, der Platz ist frei und meinetwegen ‚öde‘, wenn nichts los ist, aber das ist der Sinn des Platzes, dass es ein Raumangebot ohne Vorstrukturierung gibt, auf der dann jede Großveranstaltung möglich ist, egal ob Zirkus, Flohmarkt, Tag der Retter, Parkraum bei Innenstadt-Events, Rummelplatz oder Monster-Truck-Show. Und das soll einfach verhökert werden? Oder nutzen wir für diese Zwecke dann demnächst die umgestaltete Freilichtbühne incl. Shuttle-Service?
Wenn dann Argumente kommen, dass Flohmärkte ja auch am Münster möglich wären…ja, was da nun zwei Mal stattfand, waren Witz-Flohmärkte, von den Beschickern des Mühlenangers hätten wahrscheinlich nicht einmal 20% dort Platz gefunden. Und wo sollen die Besucher parken in einer ohnehin am Samstag gut gefüllten Innenstadt? Und ein Zirkus am Münster? Unsinniger geht nicht mehr.
Auch der Scharnhorstplatz als Ausweichort ist lächerlich. Der Innenraum ist abgesenkt und mit Fahrzeugen nicht erreichbar, die Parkplätze rund um das Behördenzentrum sind zu wenige und außer an Wochenenden ständig besetzt: der nächste Parkraum wäre dann der Mühlenanger – aber den gäbe es dann ja nicht mehr…
Mit autistischer Konsequenz soll hier ein Projekt durchgezogen werden, das in sich völlig verkorkst ist – aber das stört keinen, man hatte ja einfach mal die Hand gehoben zu einem Plan, der den Namen nicht verdient, da die Konsequenzen des Beschlusses noch nicht einmal grob bedacht und durchkalkuliert sind.
Wenn man die letzte Wendung des Grundstücksverkaufs zuerst nimmt: warum baut die Stadt denn nicht einfach die Halle auf den Mühlenanger, der heute schon Veranstaltungsort ist. Warum muss eine Halle stattdessen in ein Wohngebiet gebaut werden? Warum baue ich nicht Wohnungen in ein Wohngebiet und eine Halle in ein Veranstaltungsgebiet? Wobei die Halle dann schon ausreichend mit bestehenden Parkplätzen versorgt wäre? Am Schuhwall müsste rund um die Halle ein Parkplatz mit ca. 5000 qm erstellt werden. Danke für die zusätzliche Bodenversiegelung.
Und wie überzeuge ich die Bewohner der kleinen Anwohnerstraßen wie der List-Straße, Arentsschildstraße, Nordring, Rhumestraße und Baumschulenweg, dass sie mit dem zusätzlichen Besucherverkehr glücklich sein werden, da sie nun auch einmal auswärtige Kfz-Kennzeichen zu sehen bekommen? Oder gibt es dann eine Tiefgarage mit unterirdischer Zufahrt direkt vom Friedrich-Ebert-Wall?
Kein wirklicher Plan, aber schon mal Einzelmaßnahmen produzieren, die reales Geld kosten. So kann man sich später dann weiterflunkern: Wir haben ja A gesagt, da muss man dann auch B sagen. Und C. und D. Und E. Und bei P kommt dann die Pleite. Die kennt der Stadthaushalt ja – und etliche Stadtratsmitglieder können sich sicher noch daran erinnern, wie sie die Pleite in den Jahren 2005-2010 mitverantwortet haben. Sie müssten es eigentlich besser wissen und vielleicht etwas vorsichtiger mit Geld umgehen, das Ihnen von der Öffentlichkeit treuhänderisch anvertraut ist.
Bis heute gibt es keine Gesamtübersicht, was der Spaß kostet – und wann er bezahlt wird: die Rahmenbedingungen trüben sich gerade ein, denn das Steueraufkommen wächst wohl nicht mehr und möglicherweise ziehen auch die Kapitalkosten an. Und der Taschenspielertrick mit dem Bau durch die Stadtwerke ist auch nur linke Tasche – rechte Tasche: die Verluste, die die Stadtwerke machen, führen einfach dazu, dass sie weniger Jahresgewinn an die Stadt abführen oder ggf. etwas an den Strom-, Gas- und Wasserpreisen drehen. Es gibt in diesem Leben nichts geschenkt und der kleine Einmal-Vorteil bei der Vorsteuer ist bald verpufft.
Angeblich arbeitet die Stadt ja an einer Lösung für die nächsten 50 Jahre – ich kann leider an diesem Plan keinen Weitblick erkennen. Eine schlechte Entscheidung kann jeder treffen, aber man hat auch die Chance, das zu erkennen und gegenzusteuern. Aber das Übelste ist, eine schlechte Entscheidung getroffen zu haben, das zu erkennen und trotzdem weiterzumachen, „weil es mal so entschieden wurde….“: Scheuklappen oder fehlender Mut? Mit Blick auf die nächsten 10 Jahre muss man grundsätzlich voller Zweifel sein – hier nur einige Fragen:
- Warum werden in der Stadt eine Oberschule und
eine Haupt- und Realschule getrennt betrieben, die zusammen (noch!) etwas über
600 Schüler haben, während 1000 Gymnasiasten in einer Schule betreut werden? Könnten
die Schüler der Oberschule nicht ohne
Probleme in das Schulzentrum an der Sudheimer Straße integriert werden? Für
eine weitere Schulturnhalle bestünde kein Bedarf – aber im Gegenzug könnte das
Gebäude an der Arentschildstraße umgenutzt werden als Stadtteilzentrum,
Altenbegegnungsstätte, Gründerzentrum o.ä. Und einige Räume könnten zu
Übungsräumen umgebaut werden, die für kleinere Sportlergruppen geeignet wären.
Warum geht die Stadt dort nicht initiativ auf den Landkreis zu, um die über kurz oder lang anstehende Umnutzung voranzutreiben? Wenn die Nutzung als Schulturnhalle entfällt, entfallen auch die Kostenerstattungen des Landkreises in 6-stelliger Höhe, die dann komplett von der Stadt übernommen werden müssen – und das für einen gepflegten Hallen-Leerstand! - Warum wird nicht die BBS-Turnhalle, die den Handball-Standards entspricht, um Zuschauerplätze und ggf. Gymnastikräume erweitert? Oder gleich eine zweite Halle südlich des Martinsgrabens gebaut (bei Mitnutzung durch die Schulen des Schulzentrums), die von allen Richtungen aus verkehrsgünstig zu erreichen ist, am Rande eines Wohngebiets (und nicht mittendrin!!!) liegt und die das gesamte Südstadt-Quartier enorm aufwerten würde?
- Der Haushalt der Stadt Northeim hat ein Volumen (nach Abzug der durchlaufenden Gelder) von ca. 30 Mill. Euro und eine Verschuldung von über 22 Mill. Euro. Diese Schulden sind keine Investitionen (auch wenn sie öfter so betitelt werden), da sie nicht in der Absicht aufgenommen wurden, um damit neue Umsätze zu generieren und sich zu amortisieren. Es sind einfach Schulden mit längerfristiger Rückzahlung. Auch die Ausgaben für eine neue Turnhalle werden sich nicht amortisieren, sondern nur höhere Folgekosten produzieren (oder Mindereinnahmen). Der Schuldenstand der Stadt ist im Vergleich überdurchschnittlich. Wie kann ein Rat zusätzlichen Schulden zustimmen, ohne das genaue Ausmaß zu kennen?
- Wann wird endlich ein Gesamtplan vorgelegt, der
ALLE Kosten zumindest aus heutiger Sicht schätzt und die Finanzierbarkeit für
die nächsten 10 Jahre aufzeigt – incl. Prognose von Faktoren wie Zinsen,
Inflation bzw. Preiserhöhungen, Steuereinnahmen, Bevölkerungs- und Konjunkturentwicklung
– und nicht zuletzt eines Risikozuschlags, da öffentliche Projekte in der Regel
nicht innerhalb des Budgets abgewickelt werden?
Ob diese Kosten aus der linken Tasche Stadthaushalt oder der rechten Tasche Stadtwerke-Haushalt bezahlt wird, ist dabei erst einmal egal. - Innenstadtnahe, ebenerdige ‚Bauplätze‘ sollen für ca. 40 Euro/qm den Besitzer wechseln, während am alten Krankenhausgelände in Hanglage (=erhöhte Baukosten) ein Ansatz von ca. 160 Euro/qm angemessen war? Beim Kauf des alten Realschulgeländes soll dafür die Stadt im Gegenzug an den Abrisskosten der Schule beteiligt werden, wurde das nicht schon im Kaufpreis, der an den Landkreis ging, berücksichtigt? Warum bebaut der Inhaber des Grundstücks nicht schon seit vielen Jahren diesen Bereich, wenn es Bedarf für innenstadtnahen Wohnraum gibt?
- Warum soll ein Veranstaltungszentrum mitten in der Stadt erbaut werden, das negative Auswirkungen auf das gesamte umliegende Wohngebiet hat? Wie möchte man das den Anwohnern erklären? Und gleichzeitig bei der seit 20 Jahren überfälligen Öffnung des Martinsgrabens als Sammelstraße für das südliche Wieter-Wohngebiet versagen?
- Was wird bei Abriss der alten Halle aus dem Blockheizkraftwerk, das im Wesentlichen das Hallenbad versorgt (die Schuhwallhalle hat lediglich 50.000 Euro/Jahr Heizkosten)? Was kosten Abriss und Neubau? Und bitte nicht argumentieren: Das zahlen ja die Stadtwerke…
- Was kostet die Erstellung der Parkplätze? 250 neue Stellplätze = 5000 qm – und die sind auf dem Mühlenanger bereits vorhanden… – das klingt alles nach Schildbürgerstreichen.
- Welche höheren Betriebskosten kommen auf die Stadt zu? Will man die Nutzungsgebühren für die Halle erhöhen – das Echo der Sportvereine wäre schon mal sicher…?
- Wenn man jetzt die Baukosten auf 8 Millionen deckelt, weiß man genauso sicher, dass mit Inflation und Preiserhöhungen 10 Millionen herauskommen. Und das ohne Inneneinrichtung, möglichen Zusatzkosten (Gründung des Bauwerks etc.), Straßenbau- und Verkehrsmaßnahmen, Abrisskosten, Planungskosten, Bebauungsplanänderungskosten, Gutachten und wohl noch einiges mehr, das nicht über die Konten der Stadtwerke abgewickelt werden wird.
- Und last but not least: da wird aus dem Vollen geschöpft, um 300 Handballfans eine schöne Halle zu bauen (ich weiß: das ist polemisch…) und zugleich hausen ‚unsere‘ Obdachlosen in Wohncontainern in der Friedhofsgärtnerei… – das ist halt so, wenn man keine Lobby hat…
Dieser Beitrag ist als Offener Brief am 27.6.2019 an den Northeimer Bürgermeister Simon Hartmann geschickt worden.