Wer A sagt, muss auch B sagen – oder wie man sich selbst das Bein stellt


Eigentlich ist der Landkreis an allem Schuld: Mit seiner Zusage, 3 Mill. Euro für eine Schulturnhalle zuzuschießen, wurde der Gibt’s-was-umsonst-Wettlauf um die neue Schuhwallhalle eröffnet. Als dann noch die fehlenden 50 Zentimeter am Spielfeld der Handballer dazu kamen, gab es kein Halten mehr: Northeim muss das neue Gummersbach oder Flensburg-Weiche-Handewitt werden!

Eins ist auch klar: Niemand würde heute auf die Idee kommen, eine frequentierte Sportarena in ein Wohngebiet zu pflanzen – aber bei der herrschenden Ideenlosigkeit war der Plan sofort klar: direkt neben den Altbau kommt der Neubau, egal was es koste. Obwohl weder die direkten Kosten noch  die gesamten indirekten (Infrastruktur-)Folge- und Neben-Kosten bekannt und verlässlich geschätzt sind (genau wie mögliche Förderungen), wird der Scheck auf die Zukunft blanko vom Stadtrat unterschrieben. Dass man bei diesem Schweinsgalopp anfänglich auf jeden Entwurfswettbewerb verzichten wollte, ist gottseidank inzwischen revidiert.

Aber kommen wir zurück auf den Landkreis: über 1000 Schüler (15000 qm) sind im Corvinianum zusammengefasst, aber für die 650 Haupt- und Realschüler (Th.-Mann 250 Schüler auf 6700 qm, Oberschule 390 Schüler auf 7700 qm) werden zwei (!) Schulen unterhalten. Daneben gibt es eine E.-Kästner-Schule (4700 qm) gegenüber der Th.-Mann-Schule, die nur noch 100 Schüler beherbergt, sodass es eigentlich möglich sein sollte, die Haupt- und Realschüler im Schulzentrum Süd in einer Schule zusammenzufassen – eine Maßnahme, die – schon im Februar 2017 – vom Kultusministerium ‚anheimgestellt‘ wurde, zumal die Schülerzahlen im Landkreis (ca. 12300 in 2019) sich jährlich weiter um ca. 200 reduzieren (Prognose bis 2022).

Damit wäre es möglich, die Gebäude an der Arentsschildstraße einer anderen Nutzung zuzuführen: als Gründerzentrum, Kindertagesstätte, Senioren-Tagespflege, Stadtteil-Treff, als Übungs-, Veranstaltungs- oder Versammlungsräume. Und dazu käme eine gewisse Mittelersparnis für den Landkreis, da der Schulbetrieb dort derzeit über 700.000 Euro/Jahr kostet.

Und der Clou: Eine Schulsporthalle wäre überhaupt nicht notwendig, zumindest nicht neben dem Hallenbad! Es könnte ein echter Hintertreppenwitz sein, wenn direkt nach der Einweihung der Halle der Schulstandort an der Arentsschildstraße aufgegeben wird. Alles nur Einbildung? Nein: schauen wir nur kurz nach Kalefeld, wo ‚die Politik‘ die Auetalschule um jeden Preis erhalten wollte und schon millionenschwere Investitionen geplant waren – nur wenige Monate, bevor die Eltern durch die ausbleibenden Anmeldungen dem Kreistag klarmachten, dass für diese Schule keine Zukunft mehr bestehen würde. Im März 2017 noch Durchhalteparolen, im Herbst 2017 dann die Kapitulation.

Aber der Ruf nach zusätzlichem Übungsraum für die sportlichen Aktivitäten muss damit nicht ungehört verhallen: Wenn eine neue Schulsporthalle, die gleichzeitig auch dem Breiten- und Spitzensport dienen soll, benötigt wird, dann sollte diese am Schulzentrum Süd gebaut werden – die Südseite des Martinsgrabens bietet sich da ideal an – und wird damit zugleich das Quartier ‚Südstadt‘ aufwerten. Der Standort am Stadtrand hat eine optimale Erreichbarkeit, direkt an der B3 ohne Parksuchverkehr durch Anwohnerstraßen, mit ausreichend Freifläche, um Busse und PKW abzustellen. Ob dann die Stadt Northeim, der Landkreis Northeim oder etwa sogar der Handballverein mit seinen Hauptsponsoren Bauherr werden sollte – das mag man gern ausdiskutieren: Nach meinem Gusto sollte sich hier der Landkreis führend engagieren.

Zudem bietet das erweiterungsfähige Areal im Süden der Stadt auch eine Option, die möglicherweise erst in ein paar Jahren gezogen wird: Ein neues Hallenbad, ein Spaßbad! Damit könnte dann die Südstadt wirklich punkten.

Abwegig? Nein, denn das alte Hallenbad ist genauso alt wie die Schuhwallhalle und ich warte da schon auf die erste Wortmeldung, die mit ‚Marode‘ beginnt und sich fragt, warum wir überhaupt eine 50-Meter-Bahn bräuchten. Auch bei der energetische Bilanz wäre viel Luft nach oben, ebenso wie bei den dann höher zu kalkulierenden Eintrittspreisen und den Zusatzerlösen aus dem Konsum der Badegäste. Und um zum Schulthema zurückzukommen: ein ganz kurzer Weg würde zur vermehrten Nutzung des Schwimmbads für alle Schulen im Schulzentrum Süd auffordern!

Aber wir sind ja am Schuhwall gestartet: Was soll dort passieren? Eine maßvolle Innenrenovierung der Schuhwallhalle sollte geplant werden, um sie für die nächsten 10 Jahre weiter zu nutzen, was dann zu einer echten Erhöhung des Platzangebots führt, statt nur einer Verlagerung der Engpässe in ein anderes Gebäude. Die Gebetsmühle mit der energetischen Sanierung sollten wir vor diesem Hintergrund einfach stoppen, zumal die Halle jährlich nur ca. 50.000 Euro Heizkosten erfordert, die durch eine energetische Sanierung in Millionenhöhe wohl noch nicht einmal halbiert würden.

Und das Grundstück der ehemaligen Realschule sollte endlich bebaut werden: Wohnungen für ältere Mitbürger oder junge Familien: Sozialwohnungen und Reihenhäuser mit bester Erreichbarkeit des Stadtzentrums und seiner Serviceleistungen auch für Ältere oder Menschen mit Einschränkungen. Die Alternative bei Bau einer neuen Halle hieße nämlich auch: 200-250 Parkplätze = ca. 5000 qm in bester stadtnaher Lage mit Flächenversiegelung und Leerstand an 340 Tagen im Jahr. Und nach den derzeitigen Plänen könnten man dann mit einer Wohnbebauung auf dem Mühlenanger rechnen: wollen wir das wirklich?   

Man kann den Faden auch noch weiter spinnen, wenn man sich der kurzsichtigen Strategie der Stadtverwaltung entzieht: Die Verkehrsanbindung der Halle über Nordring, List-Straße oder Baumschulenweg ist lausig und wird zusätzliche Mittel kosten, über die heute vorsichtshalber niemand spricht. Die Tragfähigkeit des Untergrunds und damit der Gründung des Bauwerks ist nicht geklärt, die Entwicklung der Baupreise ist besorgniserregend für jede Kalkulation, die Konjunktur (und damit die Steuereinnahmen) flacht ab, das Anziehen der Kreditkosten wird mittelfristig erwartet, die Verschuldung der Stadt ist überdurchschnittlich (schon jetzt 23 Millionen bei einem Haushaltsvolumen von ca. 30 Millionen), der Neubau wird zusätzliche Unterhaltungskosten generieren, der Abriss der Halle ist nicht kalkuliert und vor allem der Abriss und der Neubau des mit der Halle verbundenen Blockheizkraftwerks (das ist am westlichen Ende der Halle und versorgt vor allem das Hallenbad und die Schule(?)) – aber das kostet ja nichts, das bezahlen die Stadtwerke. Schön wärs – denn steigende Kosten bei den Stadtwerken reduzieren einfach die Höhe der Transferleistungen der Stadtwerke an den Stadthaushalt.

Sich so nur auf die 8 Millionen reine (geplante) Baukosten zu konzentrieren: das ist verantwortungslos. Wenn ich ein Haus kaufe, rechne ich nicht nur mit dem Kaufpreis: Maklergebühren, Steuern, Notar- und Gerichtskosten, Umzug und Renovierung müssen mitbedacht sein, bevor ich den Kaufvertrag unterzeichne. Was im privaten Leben unerlässlich ist, wird im öffentlichen Geldausgeben einfach ignoriert, da kommt dann: ‚Wer A sagt, muss auch B sagen‘, ‚Das konnten wir nicht ahnen‘, ‚Das sind halt die Sachzwänge‘, ‚Da gibt es neue Vorschriften und Vorgaben‘: Philharmonien und Flughäfen kennen das nur zur Genüge.

Ob sich die ‚Rhume-Arena‘ zum lokalen GAU entwickelt oder nicht: das hat noch der Stadtrat in der Hand, aber meine Hoffnungen auf eine Lösung mit langfristiger Orientierung, mit einem Konzept zur Entwicklung der Stadt statt dauerndem Herumrühren in einer alten Suppe sind nicht besonders groß. Die wenigen Stimmen, die sich dem noch entgegenstemmen, werden von den Lemmingen im Rat  nur mit Schweigen belohnt. Wenn Ratsbeschlüsse getroffen werden müssen, damit man damit den Deutschen Handballbund weiter beschwichtigen kann, weiß ich nicht, wer hier Herr im Haus ist, zumal mit der Sparkassen-Arena in Göttingen oder der BBS-Halle in Northeim durchaus Alternativen für den Handballbetrieb bestehen. Wenn Lokalpolitiker immer wieder betonen, dass der Neubau ja keine ‚Handball-Halle‘ sein wird und man nicht nur wegen der ‚3.Liga‘ einen Neubau plant, so reagieren sie damit genau auf eine Anschauung, die wahrscheinlich von vielen Mitbürgern im Gespräch immer wieder gebracht wird – denn nur dann ist es überhaupt notwendig, sich von dieser Anschauung zu distanzieren.

Alte Northeimer erinnern sich sicher noch an die NNN in den 60er Jahren: jeden Tag war ein Comic-Streifen enthalten mit den Abenteuern von Panda, einem kleinen Pandabären. Und jeden Tag lautete der letzte Satz: „Wartet nur ab, was wir weiter berichten, Panda erlebt noch ganz andere Geschichten“. Me too, wir alle sind Panda – und der letzte Satz ist wohl immer noch wahr…