„Es gibt kein richtiges Leben im valschen“
Kann man das Richtige mit falschen Worten sagen? – Kann man das Falsche mit richtigen Worten sagen?
Ja, kann man! Nehmen wir die Agenda: Ob 2010, 2020 oder 2030 – es bekommt in der (lokal-)politischen Dimension immer das G’schmäckle des von vielen als gescheitert angesehenen sozialdemokratischen Milleniums-Aufbruch. Man kann noch so Gutes wollen, auf die Etikettierung mit ‚Agenda‘ verzichtet man derzeit aber besser.
Auf der anderen Seite: Sportstadt. Klingt frisch, klingt nach Aufbruch, nach Gesundheit, eine neue Bewegung kommt ins Leine- und Rhumetal. Die Bewerbung für die nächste Olympiade scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein! Die Vision der ‚Sportstadt Northeim‘ habe ich zuerst im Jahre 2015 vom amtierenden Bürgermeister gehört – und musste direkt an Helmut Schmidt denken: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“
Meine Einschätzung dazu: recht hat er, der alte Schmidt, zumindest in diesem Fall. Nun wissen wir aber auch seit 20 Jahren, dass zu jedem guten Unternehmen – auch einer Stadt(verwaltung) ein gedanklicher Überbau gehört, der landläufig mit dem Dreiklang ‚Vision-Mission-Strategie‘ umrissen wird. Aber welche Vision wird z.B. ein Unternehmen haben, dass Schlauchboote in der Sahara verkaufen will? Das kann eigentlich nur der Weltuntergang sein…
Natürlich könnte Northeim zu einer Sportstadt entwickelt werden, aber auf welcher Basis? Wo sind die Keimzellen außergewöhnlicher Fähigkeiten und die Chancen, die es zu entwickeln gilt? Wo wird es in 5 Jahren Höchstleistungen geben? Im Schwimmen? Das nächste Leistungszentrum heißt Hannover, wollen wir den Kampf aufnehmen? Im Fußball? Ein zweites Hoffenheim? Da müssten wir aber erst die Gründung von SAPzwo abwarten… Surfen, Bogenschiessen, Bahnengolf, Turnen, Volleyball, Tennis, Triathlon, Basketball – wo vermuten wir da die zukünftigen Leuchttürme?
Und last but no least – der Handball. Fast drittklassig, aber mit ‚maroder‘ Arena, der Schuhwallhölle, der Northeimer Version der Göttinger Lokhölle. Dass an dieser Sportstätte Handlungsbedarf bestehen mag, soll nicht wegdiskutiert werden, aber deshalb einen Popanz namens ‚Sportstadt‘ zu erfinden, geht eindeutig zu weit. Und wer sich noch erinnern mag: dieses Etikett war ja nur der geringste Teil einer Sprechblasen-Invasion im Jahre 2015: Die Zug wurde angeführt von der Rhumphi-Vision (Rhume-Philharmonie) in Verbund mit einem Mittelalter-Fake-Neubau des Rathauses an zentraler Stelle in der Stadt. Dass diese Themen vom Tisch sind, zeigt, dass zuweilen auch die Vernunft siegen kann.
Lassen wir es also gut sein mit Sportstadt Northeim – die Realität sind Bevölkerungsrückgang und zunehmendes Durchschnittsalter. Und die Vision für die nächsten 10-20 Jahre sollte sich damit beschäftigen, wie Schulsport und Breitensport für alle Generationen gefördert werden kann.
Und Spitzensport – da müssen wir nur kurz den Fernseher anschalten – ist keine vordringliche Aufgabe der Kommune: das ist Showgeschäft, da reicht ein kurzer Blick auf die werbedekorierten Stadien und Arenen bzw. die beweglichen Werbeflächen, für die man früher die Bezeichnung ‚Sportler‘ hatte.