Weihnachten ist das Fest des verklärten Blicks – romantisch und
voller Schmelz, verbunden mit den Erinnerungen an die Kindheit… Aber was hinter
den Kulissen passiert – das wollen wir überhaupt nicht wissen! Und es tun sich
Abgründe auf!
Da muss ein alter Mann, der aufgrund lückenhafter Beschäftigung wahrscheinlich noch nicht einmal die Grundrente erhält, im Dauereinsatz Botendienste erledigen – ohne Rücksicht auf geregelte Arbeitszeiten: Ärzte und Berufsgenossenschaften drehen da nur noch im Roten wegen der Verletzungen der Arbeitszeitverordnung. Und ob die Beschäftigung ordnungsgemäß registriert ist? Steuern, Sozialversicherung, Krankenkasse, Soli? Rentenkürzung wegen Zuverdienst? Wahrscheinlich kann auch die Fahrt zur Arbeit nach Grönland im Rahmen der Pendlerpauschalen nicht geltend gemacht werden.
Und die EU protestiert laut, da die jeweiligen Tätigkeiten
in den verschiedenen Ländern nicht angemeldet seien, um als Entsendung nach
lokalem Steuerrecht abgerechnet zu werden. Aber einen Vorteil gibt es in diesem
Jahr letztmalig: kein Zoll für Auslieferungen in Großbritannien wg. fehlendem
Brexit…
Verbittert regen sich auch erste Proteste aus der
Wirtschaft: Der Weihnachtsmann habe bei der Beschaffung der Geschenke den lokalen
Einzelhandel nicht umfassend berücksichtigt und von Zustellern sei ihnen
zugetragen worden, dass auch sprechende Amazon-Pakete nach Grönland geliefert
worden seien – daneben seien auch Zalando-Schreie in der Eiswüste zu hören
gewesen. Wahrscheinlich wären für die Sendungen in den Norden auch noch von
widerrechtlich schlecht bezahlte Subunternehmer der Paketdienste angeheuert worden
– und die Grönland-Papers warteten schon in der Druckerschlange!
Auch der Tierschutzverein läuft Sturm: was sei mit den
Rentieren und dem Tierschutzgesetz? Keine artgerechte Haltung, Zwang zum
Fliegen (Cockpit ist noch nicht aufgewachte, sonst hätten die Tiere statt geschmückter
Geweihe schon Trillerpfeifen dabei…), keine Futter- und Auslaufpausen. Um das
durchzuhalten würden die Tieren wohl mit alkoholischen Getränken gedopt – die
roten Nasen sprächen Bände!
Natürlich hat auch die Polizei schwerste Bedenken bezüglich
der Straßenverkehrsordnung: Schlittenparken im Halteverbot,
Geschwindigkeitsübertretungen gerade in Tempo30-Zonen und Spielstraßen, nicht
zu sprechen von der Verletzung der Kennzeichnungspflicht von Fahrzeugen mit
Geschwindigkeiten > 6 Km/h: wohin sollen schließlich die ganzen
Bußgeldbescheide zugestellt werden, die aufgrund der Bilder in den
Radarkontrollen fällig werden?
Auch gegen den Fahrer muss zusätzlich strafrechtlich ermittelt
werden, da er mit Ganzkörperkostüm und Vollstbart ganz eindeutig das Vermummungsverbot
verletze! Bei dem Wort Fahrer regen sich nun auch
Gleichstellungsbeauftragte*Innen: Die Besetzung dieser Stelle nur mit Männern
sei mindestens eine Verletzung des Verfassungsgrundsatzes der Gleichstellung
von Mann und Frau! Hier müsse energisch gegengesteuert werden! Und aus einer
Ecke ist auf einmal ganz deutlich der Ruf der SPD zu hören: Doppelspitze!
Wen haben wir noch? Der Bezirksschornsteinfeger fuchtelt wie
wild mit dem Kehrbesen: Die Nutzung des Kamins zum Eintritt in die Wohnung sei
entgegen aller Vorschriften der Feuerstättenverordnung, hier müsse Einhalt
geboten werden. Da stimmt dann auch die Feuerwehr ein: und im Übrigen müsse
auch die Nutzung von echten Kerzen und offenem Feuer per sofort untersagt
werden – Brandschutz gehe schließlich vor!
Aber das lenkt nur von schlimmsten aller Fälle ab:
Kinderarbeit! Die niedlichen kleinen Engel würden nicht nur zur Arbeit
gezwungen, sondern obendrein noch zu Dauerschichten – und das Ganze im
bitterkalten Winter ohne – vom Arbeitgeber zu stellender – wärmender
Arbeitsschutzkleidung! Dieser Verstoß müsse der UNO gemeldet werden – und
natürlich den Gleichstellungsstellen, denn anhand der jetzigen Nicht-Kleidung
wäre eindeutig zu erkennen, dass ausschließlich männliche Bewerber den Zuschlag
erhalten hätten!
Ja, diese Welt ist im Chaos – zumindest solange, bis wir aus
diesem Traum eines überzeugt Regelwütigen erwachen. Und uns besinnen:
Weihnachten ist anders, es ein Fest außerhalb der Zeit, ein Fest
der Bilder und der Träume – sowohl der erfüllten als auch der, die hoffentlich bald
vom Geist der zukünftigen Weihnachten erhört werden. Aber das schönste an
diesen Träumen ist, dass sie uns erfüllt werden, ohne dass wir eine
Gegenleistung erbringen müssen. Sie werden erfüllt, weil wir einfach nur da
sind und weil es Menschen gibt, die uns mögen oder lieben – um unserer selbst
willen. Und die wir lieben – um ihrer selbst willen!
Das Geschenk ist das Zeichen – aber worum es geht, ist
Zuneigung und Liebe, Unterstützung und gemeinsame Freude, aber auch der Trost –
und die Gewissheit, nicht allein zu sein. Das Angekommen-Sein und das
Angenommen-Sein – und das Nicht-Vergessen-Sein…
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein tolles Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in die Doppel-20!
Euer Arndt Christian